Nordkap, mal eben...

Irgendwo zwischen Kilometer 0 und Kilometer 7400 der Reise...
Irgendwo zwischen Kilometer 0 und Kilometer 7400 der Reise...

Nach der letztjährigen Baltikumstour sollte ein weiterer "unfinished Business" abgehakt werden: das Nordkap. Das sollte gleich zu Beginn der Fahrt passieren. Dann noch die Lofoten, den Trollstigen, Lillehammer (wegen "Lilyhammer", klar.) Mehr an Plan war nicht. Einfach durch die Botanik zu gurken, zwar mit Knipse und Karte, aber ohne Stift und Tagebuch, der Nase nach und vom Regen weg. Und so ist es auch keine Reisegeschichte geworden, denn das war nie die Absicht. Derer gibt es ja gerade über Norwegen das Nordkap viele, die Buchläden und Youtube sind voll davon. Natürlich habe ich hin und wieder mit Leuten geredet oder habe die eine oder andere Kulturstätte besucht. Und für mich interessante kleine Dinge entdeckt.

Das ist auch schon alles.

 

Finnland

Immer wieder Travemünde. Doch nur von dort aus geht es Richtung Baltikum und Finnland. Auf der Fähre tummeln sich massig Moppedfahrer, die meisten vom multinationalen MC "Blue Knights" - dem kompletten Gegenteil von "Outlaw-Biker". Hatten eine schöne Überfahrt, gut gefeiert mit den Vertretern des schottischen Chapters, ordentlich sauniert... Helsinki empfängt mit Regen, ein böses, aber nur kleines Wolkenband, denn bis hinauf nach Norwegen bleibt der Himmel blau. In Rovaniemi besuche ich das Arktismuseum, das Polarkreis-Disneyland und mache einen Stadtrundgang, dabei in den Moppedklamotten vor Hitzestau zerfließend. Hinter Rovaniemi fällt die Temperatur über "Nacht" (welche Nacht, bei 24h Tageslicht?) von 23° auf 7° - von nun an sind die nächsten 15 Tage nonstop Thermofutter, lange Unterwäsche, Fleecejacken und doppelte Sockenlagen  angesagt.  Finnland ist dieses Mal nur Transitland. Aber es bringt einen runter - gerade, leere (je nördlicher, umso mehr) Straßen. Gesunde Monotonie.

Norden von Norwegen

Blauer Himmel, 8°. Kaffee trinken muss man öfters bei der Sommerfrische, mit den Herzwaffeln aus dem Waffeleisen, darauf Erdbeermarmelade UND Schmand. Es ist auch das preiswerteste norwegenweit mit etwa 6€. Ansonsten ist eh Selbstversorgung angesagt. Aber auch da: Unter 20€ pro Einkauf für ein frugales Mahl geht nix. Kurz vor dem Nordkapp schlägt das Wetter nach meistenteils grau und regnerisch um und das bleibt so bis fast Oslo. Im Honnigsvager Kulturhaus besuche ich ein englischsprachiges Jugendtheaterstück über "Our Northernmost Life" am Nordkap. Mit den Betreibern des Zeltplatzes in Skarsvag (bin grade der einzige Gast) verquatschen wir die Zeit über alles mögliche, und was sich so alles in den letzten paar Jahren fundamental  verändert hat. Treffe tags darauf Kevin aus Bayern auf seiner Z1000 beim Einchecken in eine Hütte.    

In Hammerfest gibt es einen schönen Campingplatz in Zentrumsnähe, ich bleibe 2 Tage, weil es am ersten Abend und tags darauf in Strömen gießt . Besuche das Wiederaufbaumuseum: Die Exposition zeigt die Geschichte des Komplettwiederaufbaus der Finnmark nach Kriegsende (Stichwort: Taktik der verbrannten Erde) nach sozialdemokratisch-modernistischen Prinzipien. Empfehlenswert. Hammerfest hat einen großen Ölhafen und hier und da werden Gase abgefackelt. Einerseits heißt es: fragiles arktisches Ökosystem, hier nicht langgehen, dort nichts anfassen, aber andererseits... Und oft liegen Müll und Zeug einfach mal so eben in der Botanik herum... Mitternacht scheint die Sonne. Vergesse mein Funktelefon bei der Abreise. In Alta gibt es die berühmten Felszeichnungen, zumeist Jagdszenen,  der Ureinwohner aus dem 7 bis 2. Jtsd v.u.Z. Es ist ein Rätsel, wieso diese Felsen so lange Objekt von künstlerischen Aktivitäten waren. Darüber hinaus kann man sich im Museum über die Polarlichtforschung und so manches mehr informieren. 

Lange Fahrt durch Sonne, Regen. Ziel: Lofoten. Die Lofoten sind schön, aber überlaufen, überall Wohnmobile. Kaum auf den Inseln - Dauerregen. Bleibe deswegen auf dem Zeltplatz von Sandsletta volle drei Nächte. Kevin aus Bayern vom Nordkapp schlägt am letzten Abend sein Zelt auf. Schönes Wiedersehen, wir trinken teuer Kneipenbier aus diesem Anlass. Ansonsten ist die unfreiwillige Pause kein Problem, habe wie immer genug zu lesen dabei, traditionsgemäß auf Tour wieder etwas Leichtsinniges über die Antike, diesmal einen Roman über die Pharaonin Hatschepsut. Svolvaer ist die Lofotenkapitale, viel 60er/70er Jahre Beton. Ein Marktplatz. Es gibt Walfleisch und Walwurst, koste davon, schmeckt schon lecker. Aber kaufen tue ich doch nur klassische Rentier- und "Viking-Pölse". Abfahrt nach A am Westzipfel in Trockenheit, Ankunft in A bei strahlender Sonne. A ist der Tourismusmagnet der Lofoten, auch wegen seines Namens. Es scheinen keine Einheimischen mehr dort zu wohnen, nur Hotels und B&B überall... Allerdings gibt es da ein Dörrfischmuseum. Auf dem Weg nach A liegt das Lofotr Viking Museum, ein großes Areal mit Hafen (eine Fahrt mit dem Drakkar verpasse ich leider), Schmiede, dem restaurierten Haus des Earl und einer Dauerausstellung. Der letzte Earl, der auf den Lofoten lebte, musste vor König Harald Schönhaar nach Island fliehen. Seine Nachfahren sind noch heute dort einflussreiche Leute. So steht es im Museum geschrieben. 

Mit der Fähre nach Bodö, von dort sollte es eigentlich per Island-Hopping auf der 17 stringent südwärts gehen. Dass die Fährenpreise nicht wirklich günstig sind, ist das eine. Das andere ist der wieder einsetzende Dauerregen. Ursprünglicher Plan Bodö - Steinkjer via Staatsstraße 17 wird aufgegeben. Stattdessen ab bei Mo-i-Rana auf die E6, die es eigentlich zu meiden gilt. Doch die E6 ist auf der anderen Seite einer Gebirgskette, und das Wetter, laut Satellitenfoto, ist besser. Auf den Pässen dahin liegt Schnee. Viel Schnee. Wasser stützt in Bächen talwärts. Ich trinke davon - himmlisch. Die Baumgrenze wird immer wieder gekreuzt. Irgendwann passe ich genau auf, wann die Bäume wieder einsetzen und wie: Erst ein kleiner, Baum, dann wieder einer, dann mehrere kleine, dann kommt eine Kurve, und dahinter stehen schlagartig die großen Bäume in zunehmend waldähnlicher Formation... 

 

Staatsstraße 63, südwestlich von von Trondheim, ist besser als Trollstigen berühmt - leider. Hunderte Touribusse, tausende Caravans und Millionen von Moppeds unterwegs. So schön die Nordseite ist, mit all ihren Serpentinen und Wasserfällen, so nervend ist das ganze auch. Die Südabfahrt hingegen ist serpentinentechnisch eher unspektakulär. In Linge gibt es ein Volksfest mit einem Wettbewerb von Marching Bands aus den Schulen der Umgebung. Bald fängt es an zu schiffen: ab auf einen Zeltplatz. In der Nebenhütte wohnt ein lettisches Pärchen. Sie studiert in Norwegen Marketing und BWL und spricht super norwegisch, ihr Freund ist frisch eingereist und eher der handwerkliche Typ. (Auch er wird einen Job finden. Tatsächlich sind viele Osteuropäer in Norwegen beschäftigt, viele in der Fischverarbeitung. Fährt man von den Hauptstraßen runter in die etwas abgelegenen Fjordbuchten, findet man viele Fabriken der Fischindustrie und Aquakulturen. Davor parken reihenweise Autos mit polnischen und baltischen Nummernschildern.) Abends klart es auf und der Zeltplatz gerät in Bewegung - es ist Samstag, 24. Juni. Midsommar wird nachgefeiert. Ich sitze dort etwas einsam zunächst mit meinem Pils herum, doch später werde ich in den Kreis der feiernden Norweger einbezogen, und viele sprechen erstaunlich gut deutsch. Am nächsten Tag geht es Richtung Stryn, dort gibt es eine Sommerski-Piste, und es tummeln sich eine Menge Abfahrtsfreaks und Snowboarder. Die Sonne scheint wieder, die Straßen sind weitaus leerer, die tief verschneite Landschaft ist der Bringer. Definitiv eine Entschädigung für den Trollstigen gestern.

Süden von Norwegen

In Skjak steht das Haus des Dichters Jan-Magnus Bruheim. Ein Wanderpfad um das Anwesen ist mit Tafeln bestückt auf denen seine Gedichte in vier Sprachen zu lesen sind. In Lom steht eine Stabkirche aus dem 12. Jh. Im Städtchen ist Kirmes mit Pferdemesse, Trödel-, Kunsthandwerk- und Bauernmarkt. Das die Wandgemälde in Schulgebäude erinnern an sozialistischen Realismus. Die Staatsstraße 51 macht Spaß, viele Serpentinen, wenig Verkehr. Camping in Leira, sehr nett und rustikal, von einem niederländischen Tourismusverband zum zweitbesten Campingplatz Norwegens auserkoren.

Ein letztes Mal Serpentinen kratzen - via 33 und 250 nach Lillehammer. Sonne satt. Der Verkehr durch Lillehammer geht auf der E6 und ist ordentlich - man merkt, man ist im dichter besiedelten Süden. Die olympischen Wintersportanlagen lassen sich gut besuchen, das kostet nicht die Welt und man hat von ganz oben einen schönen Blick. Auf die Drehorte von "Lilyhammer" wird nicht explizit hingewiesen, aber man findet alles recht leicht oder fragt einfach. Das Freiluftmuseum Maihaugen zeigt anschaulich das Land- und Stadtleben Südnorwegens über die Jahrhunderte, sehr zu empfehlen. Das Camping ist etwas außerhalb, modern, teuer, städtisch,  zwar korrekt, aber recht lieblos, gleicht eher einem Hostel denn einem Zeltplatz. Ganz anders als die familiengeführten Zeltplätze in der "Wildnis".

 

In Oslo schließt das Fährterminal um 15h00, ich komme dort um 15h03 an. Muss also übernachten. Folge der Beschilderung zu einem Campingplatz im Norden der Stadt. Erstaunlich, aber der ist angenehmer als jener in Lillehammer. In Deutschland soll die Sintflut ausgebrochen sein, hier ist alles romantisch. Der nächste und letzte Tag beginnt um 06h00, auf dem Weg zum Terminal verfahre ich mich gnadenlos, aber komme früh genug an, um ohne lange anzustehen ein Ticket zu lösen. Danach Stadtrundfahrt und -spaziergang. Frühstück in einer zufällig auf dem Wege liegenden deutschen Bäckerei. Im Stadtzentrum gibt es eine Kreuzung, wo die Straßenbahn über eine Art Springbrunnen fährt. Auf einem Platz steht ein Churchill-Denkmal. Etwas außerhalb der Innenstadt sehen die Wohnhäuser gar nicht nach viel Geld aus. (Schon am Nordkap habe ich im Gespräch erfahren, dass Armut auch in Norwegen sehr wohl ein Problem ist.) Am Bahnhofsviertel wird furchtbar viel gebaut, Investorenarchitektur, aber nicht ganz so sinn- und geschmacklos wie z.B. in Berlin. Gegen 12h00 Einchecken auf die Fähre. Im Vergleich zu den Truckerkähnen ins Baltikum ist das fast ein Kreuzfahrtschiff mit zig Läden, Kneipen, Restaurants, Clubs und einem Kino. Man darf sogar im Irish Pub rauchen. 

In Deutschland ist Land unter. Die Handschuhe trocknen zuhause noch drei Tage. Mein Funktelefon kommt aus Hammerfest per Post eine Woche darauf.